Royal Enfield Model G Restauration

18.01.2012 - Mist, Obermist! Beim Besuch des Motoreninstandsetzers vor ein
paar Tagen erfahre ich, dass das Kolbenlaufspiel deutlich zu groß ist, der Zylinder
ist zu groß gebohrt worden... Das bedeutet, dass ich nach der Heimfahrt in England
einen neuen Kolben bestellen und der Zylinder noch einmal geschliffen werden muss.
In dessen Webshop sehe ich, dass die 0,30 Übermaßkolben derzeit nicht zur
Verfügung stehen, ich muss einen 0,40 Kolben bestellen. Damit bleibt nur ein
weiteres Schleifmaß für den Zylinder in Reserve. Na schön, es nutzt ja nichts...
Am heutigen Samstag nehme ich mir das Bordwerkzeug vor: Die Luftpumpe wird
zerlegt, entrostet, geschliffen und die Einzelteile poliert, den Rest bekommt der
Lackierer als Fingerübung. Die diversen Zollschlüssel sind ab Werk cadmiert, was
heute nicht mehr gemacht werden darf - Cadmium ist giftig. Aber wie gehe ich mit
den weitgehend intakten Beschichtung der Werkzeuge um? Beim Glasperlstrahlen
und auch beim Schleifen geht die Beschichtung kaputt, das Werkzeug wäre damit
ungeschützt. Also versuche ich die Teile vorsichtig zu polieren, erst grob, um die
Flugroststellen und Flecken zu entfernen, dann mit Hochglanzpaste. Das Ergebnis
überzeugt: Die Schutzschicht ist noch intakt, trotzdem sehen die Werkzeuge sauber
ordentlich aus. Was mir jetzt noch fehlt, sind 1-2 Schraubenzieher und ein Zünd-
kerzenschlüssel (der jetzige stammt von einer "modernen" Enfield), die werde ich
im Internet suchen gehen. Heute sind aus England auch noch die längeren Steh-
bolzen für den Kipphebelblock angekommen - es geht also weiter.

Das Bordwerkzeug ist fast fertig Schöne Detailansicht

03.02.2012 - Der Kolben ist da, dazu ein 2. Satz Kolbenringe, ein Kolbenbolzen
sowie Sicherungsringe. Die Teile bekommt umgehend der Motoreninstandsetzer,
damit der Zylinder geschliffen werden kann. Da der Kolben und die Ringe von
einer indischen Bullet stammen, mutmaße ich, das die Ringe aus gepressten
Reiskörnern bestehen - nehmen wir also besser die aus europäischer Fertigung,
die (hoffentlich) aus titanbeschichtetem Platin bestehen... :-) Weiterhin sind die
bei eBay ergatterten, mit einem schönen Holzstiel versehenen Schraubenzieher
und ein Original Lucas Einstellwerkzeug für den Zündkontakt aus England
angekommen - um das Werkzeug kümmere ich mich am Wochenende im Bastel-
keller, zum Basteln wäre es in der Garage ohnehin zu kalt...

16.02.2012 - Der Zylinder ist neu geschliffen, die Kolbenringe sind vom Motoren-
instandsetzer
angepasst worden sowie Zylinderkopf, Ventile und Ventilführungen
sind geprüft - am Morgen hole ich mir die Brocken ab. Allerdings ist der schwarze
Thermolack vom Montieren mittlerweile ganz schön ramponiert, darum werden
die Teile Abends mittels Pinsel neu lackiert. Der Lackierer hat unterdessen noch
die Luftpumpe zum Lackieren bekommen.

17.02.2012 - Nach dem Trocknen des Thermolacks von Zylinder und -kopf
muss dieser bei 180° eingebrannt werden, um das kontrollieren zu können,
habe ich mir ein kleines Infrarotthermometer zugelegt - keine schlechte Idee,
wie sich noch zeigt... Die Kochplatte wird angeworfen, aber selbst in der
höchsten Stufe bekomme ich den Zylinder nicht auf 180°, jedenfalls nicht oben.
Das Gusseisen leitet die Wärme zu schnell ab, darum muss der Heißluftföhn zur
Unterstützung mit ran. Trotzdem brauche ich pro Bauteil fast eine Stunde,
dementsprechend groß ist die Stinkerei durch heißen Lack in Keller und dem
Rest des Hauses... :-)

18.02.2012 - Zuerst muss ich die Kolbenringe montieren, dann Kolben mitsamt
Ringen in den Zylinder einsetzen, was sich als schwierig erweist: Mein Kolben-
ringspannband funktioniert zwar, der Kolben will aber nicht in den Zylinder
rutschen... Als Ursache mache ich einen leicht verzogenen unteren Zylinderrand
ausfindig - da bleibt mir nur, den Kolben per Hand zu montieren. Dazu muss
ich leichten Druck auf den Kolben ausüben und gleichzeitig versuchen, die
Kolbenringe zusammen zu drücken, was mir angesichts der spröden Ringe
den Angstschweiß auf die Stirn treibt - aber es geht glatt... Nachdem ich noch
Ventilausheber nebst Zug montiert habe, geht es ab in die Garage. Kollege Dieter
wartet schon, er darf mir helfen, den Zylinder zu montieren. Nachdem die Reste
der alten Dichtmasse entfernt sind, wird der Zylinder mit vormontiertem Kolben
aufgesetzt, der Kolbenbolzen montiert und dann der 2. Sicherungsring desselben
in die richtige Nut gesetzt - was sich wie erwartet als schwierig herausstellt: Da
der Hersteller von Kolben nebst Zubehör zu geizig war, Sicherungsringe mit
Ansätzen für eine Seegeringzange zu spendieren, brauche ich fast eine Viertel-
stunde, um den offenen Drahtring einzusetzen. Währenddessen rutscht der
Zylinder langsam immer tiefer, da Freund Dieter's Arme vom Halten des
schweren Gusszylinders immer länger werden... :-) Anschließend setze ich
Zylinderkopf und Vergaser wieder auf, der Auspuffkrümmer sträubt sich
wieder einmal - der Anschlussstutzen zum Auslass muss geweitet werden.
Die Ventile stelle ich noch ein, dabei stellt sich ein Problem heraus: der neue
Kipphebelbock ist etwas anders gestaltet, dadurch muss ich die Einstell-
schraube des Auslassstößels so weit herausdrehen, dass der Ventilausheber
nicht weit genug nach oben kommt - damit lässt sich der Motor nicht mehr
abstellen... Mal sehen, was mir dazu einfällt.

20.02.2012 - Sehen wir uns die Bescherung etwas genauer an: Nach Demontage
von Ventil- und Stößeldeckel zeigt sich deutlich, das die beiden Kipphebel
unterschiedlich hoch stehen, aber warum? Die Ventilkappen sind beide richtig
montiert, ein Vergleich der Stößelstangen mit den Neuteilen zeigt keine weiteren
Auffälligkeiten. Zum Test montiere ich den Original Kipphebelbock mitsamt
Kipphebeln - aha, jetzt stimmen die Maße... Auf einer planen Steinplatte
vergleiche ich Hub und Abstände der Teile, wobei sich von Alt- zu Neuteilen
ein Unterschied von satten 4mm zeigt, die Kipphebel des neuen Bocks sind
sogar untereinander noch gut 1mm auseinander - das kann nicht funktionieren!
Machen wir also Fotos, reklamieren in England und warten ab, was dabei
herauskommt...

Die Originalkipphebel haben einen identischen Hub
Die Neuteile weichen sowohl von den Altteilen als auch untereinander ab

22.02.2012 - Nach ein paar Tagen meldet sich der Händler und erklärt die
Sachlage: Die verbesserten Kipphebel stammen von einer Bullet und sind für
mein Model G modifiziert worden. Da die Kipphebel aber eine etwas andere
Geometrie haben, kann es sein, dass die Stößelstangen zu kurz sind. Darum
bietet er mir an, eine längere Stößelstange nach Maß zu fertigen. Am Abend
messe ich am Motor nach und stelle fest, dass die neue Stößelstange gut
einen Zentimeter länger sein muss, die bestelle ich per E-Mail - hoffentlich
klappt das...

04.03.2012 - Die neue Stößelstange ist da - aber viel zu lang... Was habe ich
da bloss gemessen? Egal, die beiden Kugelpfannen an den Enden sind nur
aufgepresst, die kann man abnehmen, die Stange kürzen und wieder montieren.
Nach dreimaligem vorsichtigen Kürzen und Aufschrumpfen der Kugelpfanne
(mit Hilfe von Kältespray) passt es: Das Ventilspiel lässt sich korrekt einstellen
und der Dekompressorhebel kommt wieder an die Stange heran. Nachdem ich
die Ventile eingestellt, Ventil- und Stösselstangendeckel montiert und abgedichtet
habe, kommt der Auspuff dran. Der Endtopf muss 1-2 Zentimeter weiter nach
hinten gesetzt werden, sonst knallt der Kickstarter beim Durchtreten dran, beim
Festziehen der Klemmschelle reisst mir aber die Schraube ab... Zurück zum Bastel-
keller. Aus einem kürzlichen erworbenen Sechskantstab aus VA in Zollmassen
und der Drehbank entsteht eine neue Mutter, eine 1/4" BCSy Schraube habe
ich noch greifbar, danach genügt es mir aber für Heute.

10.03.2012 - Weiter geht's - der Tank wird geleert, die Benzinhähne demontiert
und mit einer weiteren Dichtscheibe aus Kupfer wieder eigebaut. Die Montage
des Tanks kostet mich fast eine Stunde, da ich den Kabelbaum etwas anders
verlegen muss. Was fehlt noch? Ach ja, das Bordwerkeug. Vor kurzem habe
bei eBay eine zweite Bordwerkzeugtasche erworben, die wird gefüllt und die
beiden Taschen links und rechts in den Werkzeugboxen verstaut. Neuer
Startversuch? Aber gerne... Den Versuch, den Gasgriff zu drehen quittiert dieser
mit einer Drehung des ganzen Gehäuses. Weiter festziehen klappt nicht - das
Gewinde des neues Gasgriffs ist hinüber - Grrr... Im Bastelkeller suche ich mir
ein paar längere Schrauben heraus und schneide das Gewinde nach, jetzt sitzt
der Griff. Ich muss mich noch einmal über die Funktion von Kaltstarthebel und
Zündverstellung informieren, dann geht es los: Benzinhähne öffnen und - ich habe
den Zugknopf in der Hand, währen das teure Superbenzin in einem munteren
Bach auf den Boden läuft #*$%!!! Finger drauf und den Knopf begutachtet:
Die kleine Madenschraube, die den Schieber daran hindern soll, ganz aus dem
Gehäuse zu rutschen, ist ihrer Aufgabe nicht gewachsen gewesen, darum kümmere
ich mich später. Der Knopf wird wieder eingesetzt und dann der Vergaser geflutet,
allerdings nimmt dieser das Wort "Fluten" zu wörtlich: Das Benzin läuft lustig
aus sämtlichen Verbindungen heraus - hastig drehe ich an sämtlichen
Verschraubungen herum, bis es nur noch schwach tropft. Tief Luft holen (aber
nicht zu tief, wegen des ausgelaufenen Benzins) und den Kickstarter mit Schwung
durchtreten - der Motor läuft! Aber erstmal nur etwa 30 Sekunden, die nächste
halbe Stunde verbringe ich mit dem Abdichten der diversen Lecks und der
Fehlersuche für das Absterben des Motors. Zuviel Luft? Zuviel Benzin? Zünd-
zeitpunkt zu früh oder zu spät? Keine Ahnung... Nachem ich die Zündkerze
ausgebaut, trockengelegt und den Funken geprüft habe, versuche ich's noch
mal. Vorher muss ich aber wieder einmal um den Kickstarter kümmern, er
donnert trotz aller Maßnahmen meinerseits immer noch am Auspuff an. Ich
kann diesen aber nicht weiter versetzen: Vorne ist das Getriebegehäuse im
Weg, hinten der Hauptständer. Ich habe keine andere Wahl: Mit einem
Lappen wird der Chrom des Auspuffs geschützt und mit einem Hammer (!)
eine Delle in das dünne Blech des Auspuffs geklopft... Immerhin, nach dieser
Freveltat hat der Kickstarter jetzt endlich Platz genug. Nach etwa 10 Minuten
harter Arbeit am Kickstarter springt der Motor wieder an. Diesmal kann ich
ihn am Leben halten und grob Abgas und Leerlaufdrehzahl regulieren. Einen
schönen Klang hat der Motor nicht unbedingt, er ist einfach vom Auspuff her
zu laut.Nachdem sich etwa 1 Minute später der Öldruck aufgebaut hat, ist
der Motor mechanisch deutlich leiser geworden. Er nimmt sauber Gas an,
und ist im Leerlauf stabil. Nach ein paar Minuten stelle ich ihn ab. Soweit,
so gut... Was ich mit dem undichten Vergaser, dem rechten Benzinhahn,
den nach wie vor undichten Gabelholmen und dem Riesen- Ölleck des
Primärantriebs machen soll, weiss ich noch nicht recht. Vielleicht bringen
mir die nächsten Tage ja etwas Erleuchtung...



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Letztes Update: 11.03.2012