Royal Enfield Model G Restauration

28.08.2006 - Am Wochenende hatte ich keine Lust, folgerichtig
nutze ich den (völlig verregneten) Montag, um ein wenig voran
zu kommen. Mitte der Woche werde ich dem Lackierer einen
Besuch abstatten, mit ein wenig Glück hat er meine Teile fertig
lackiert. Deshalb geht es mit den restlichen Gabelteilen weiter:
Die Achsklemmungen müssen noch einmal mit 800er Schleif-
papier bearbeitet werden, der Polierbock nimmt auf der Werkbank
Platz und mit grobem und feinem Wachs werden die Stücke
bearbeitet. Zu meiner Überraschung lassen sich die alten Teile
besser polieren als die Teile meiner Interceptor, trotz der tiefen,
nicht mehr behebbaren Macken machen die frisch polierten Teile
eine gute Figur. Die oberen Gabelschrauben und die Ringe, die
die Lampenhalter stützen, bekommen eine Schleifkur zur Entrostung
und ein wenig silbernen Lack, danach ist erstmal wieder Schicht.
 

Die Achsklemmungen sehen
wieder proper aus
Einige Kleinteile müssen nach
dem Lackieren noch trocknen

Einen kleine Anekdote am Rande will ich den Lesern dieser Zeilen
nicht vorenthalten: Ich lese gerne in einigen Newsgroups, was andere
Leute so für Probleme haben, eine dieser Newsgruppen ist die
englische news://uk.rec.motorcycles.classic In deren FAQ (Frequently
Asked Questions - Häufig gestellte Fragen) findet sich eine kleine
Belehrung zum Thema "Kauf eines klassischen Motorrads in Teilen",
die ich mal sinngemäß übersetzt habe:

Erstens: Ist das Moped in Teilen, sind einige, wenn nicht alle
wichtigen Teile im Eimer. Du hast keine Chance, alles zusammen
zu bauen, bevor nicht jedes Teil repariert ist…

Die Teile, die fehlen (und sie werden fehlen), werden die am
schwierigsten zu findenden bzw. die teuersten sein.

Mindestens 5 wichtige Teile werden nicht passen oder nicht mit den
richtigen Ersatzteilen harmonieren, weil sie von einem anderen
Modell / Motorrad stammen oder möglicherweise zu einem
Vorkriegs- Rasenmäher gehören.

Du wirst nicht wissen, welches die richtigen Schrauben für welche
Teile sind, bis du ein Kurbelgehäuse mit einem 3mm zu langen
Bolzen zusammensetzt und den mysteriösen 'Knack' hörst.

Du wirst die herausgerissenen Gewinde in den restlichen Brocken
erst dann finden, wenn du versuchst, eine Schraube in sie zu
drehen.In diesem Stadium sind natürlich die Teile in einer Art und
Weise miteinander verschraubt und vernagelt, dass, um an die
Gewinde zwecks Einbau eines Helicoils oder einer Gewindebuchse
heran zu kommen, alles wieder komplett zerlegt werden muss.

Du wirst in der Teilekiste einen mysteriösen Gummischlauch
finden, der für nichts gut zu sein scheint und in keinem Handbuch
oder Ersatzteilkatalog auftaucht. Dieser Schlauch hat die Länge
eines Staubsaugerschlauchs und wurde von irgendjemand dazu
verwendet, den sich in Verwesung befindenden Ansaugstutzen zu
ersetzen.

Es wird verschiedene Teile geben, die nur mit dem passenden
Spezialwerkzeug zerlegt oder zusammengesetzt werden können,
welches du natürlich nicht hast.

Jede Birne die du findest, wird eine andere Wattzahl haben.

Das elektrische System wird dich in den Wahnsinn treiben. Und
zwar deswegen, weil der japanische Hersteller deines Teile-
konvoluts die Spezifikationen dafür 3 x in der Zeit zwischen der
Herstellung deines Mopeds und der Drucklegung des Schaltplans
geändert hat. Die Zündanlage wird darüber hinaus von einem
Drittanbieter stammen, der seit Jahrzehnten vom Markt
verschwunden ist und für dessen Bauteile keinerlei Literatur
existiert. Du könntest es vielleicht mal im Technik Museum
versuchen.

Beim ersten Versuch eine Batterie anzuklemmen, wird der
Kabelbaum schmelzen oder an zwei Stellen in Flammen aufgehen.
Horche aufmerksam auf dass kaum zu hörende Ziiisch-POP, mit
dem das teuerste und kaum zu beschaffende Elektrikteil den
elektrischen Heldentod stirbt (irgendetwas Exotisches wie z. B. ein
mechanisch einzustellender Regler).

Wenn du an wichtige Fahrwerkskomponenten wie Gabel oder
Hinterradfederung gerätst, wird garantiert nichts passen, weil ein
vorheriger Besitzer im verzweifelten Versuch, das Biest fahrbar zu
machen ein unglaubliches Gemetzel angerichtet hat, in der irrigen
Annahme, er könne es nicht noch schlimmer machen, als es
vorher schon war.

Während du die Gabel reparierst, wirst du feststellen, dass der Kopf
der wichtigsten Innensechskantschraube, die das Standrohr mit
dem Tauchrohr verbindet, rettungslos vermurkst ist. Weiterhin wird
sich in deren Kopf der Rest eines gehärteten Schraubenausdrehers
befinden, der wirkungsvoll verhindert, dass man im üblichen
Verfahren das Miststück einfach ausbohrt.

Die Ölablassschraube wird fehlen, den Rest kannst du dir wohl
denken…

Die diffizilsten und hochwichtigsten Gewinde werden sich an den
Leitungen zur Ölpumpe befinden, Sie sind allesamt vernudelt.

Der Tank enthält drei tote Spinnen und einen leichten Rostbefall.
Obwohl du glaubst, du hast alles sorgfältig entfernt, wirst du es nicht
schaffen. Entdecken wirst du dies allerdings erst in dem Moment, in
dem du zum ersten Mal versuchst, das Geraffel zu starten (sofern
du überhaupt bis dahin gekommen bist). Das bedeutet, das du zum
14. Mal die Vergaser zerlegen und reinigen musst.

Vergesse niemals, das du nach all den oben beschriebenen
Katastrophen noch kein einziges Teil restauriert, sondern
lediglich den Teilehaufen zusammengesteckt hast.

04.09.2006 - Tscha, auch den Profis passiert mal ein Malheur:
Dem Lackierer ist an einem der beiden Gabelrohre der Lack
weggelaufen - das war wohl etwas zuviel des Guten... Damit
komme ich zwar immer noch mit der Gabel weiter, aber ich
will auch kein anderes Teil bearbeiten, um das Chaos in meinem
Bastelkeller nicht unnötig zu vergrößern, warten wir also noch ein
paar Tage.

 

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Letztes Update: 05.09.2006